Eine der beiden vom Staatsrat Italiens vorgelegte Vorabentscheidungsfrage betrifft die in Art 267 AEUV festgeschrieben Vorlagepflicht. Danach sind Höchstgerichte, wenn sie Zweifel an der Auslegung von Unionsrecht haben, VERPFLICHTET, diese Frage dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vorzulegen.
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat dies im letzten Jahr bekanntlich nicht getan. Er hielt das Glücksspielmonopol für unionsrechtswidrig, beantragte die Aufhebung beim Verfassungsgerichtshof (VfGH), dieser erteilte dem OGH eine Abfuhr, woraufhin der OGH sich der Meinung des VfGH anschloss. Der EuGH wurde in die ganze Geschichte nicht eingebunden.
Die nun vorliegenden Schlussanträge im italienischen Vorlageverfahren lassen darauf schließen, dass diese Vorgehensweise nicht rechtens war: Generalanwalt NILS WAHL führt nämlich aus, dass die Tatsache, dass ein Verfassungsgericht eine nationale Maßnahme für verfassungsmäßig erklärt hat, keine Auswirkungen auf die Rechte oder Pflichten der nationalen Gerichte nach Art. 267 AEUV haben kann. Nach der auf das Urteil Cilfit zurückgehenden Rechtsprechung kann ein letztinstanzliches nationales Gericht nur dann davon absehen, eine Frage vorzulegen, wenn die Voraussetzungen eines „acte clair“ oder „acte éclairé“ erfüllt sind. Denn unter solchen Umständen darf das nationale Gericht davon ausgehen, dass die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der gestellten Frage bleibt.
Die Entscheidung des EuGH in diesem Verfahren (Global Starnet Ltd., C-322/17) wird am 20.12.2017 erwartet.
Sollte der OGH seine Vorlagepflicht verletzt haben, wovon auszugehen ist, da er ja ganz offensichtlich erhebliche Zweifel an der richtigen Anwendung des Unionsrechts hatte, so können die daraus resultierenden Schäden im Wege der Amts- und Staatshaftung gegen die Republik eingeklagt werden. Einziger Nachteil: Zuständig für solche Klagen sind wieder die nationalen Gericht selbst …